Nachhaltige Governance in regionalen Lebenseinheiten jenseits verfasster Räume
Die nachhaltige Gestaltung von Stadt-Land-Beziehungen ist eine politische Aufgabe. Immer wieder werden auf dem Pfad in Richtung Nachhaltigkeit Entscheidungen über konkrete Schritte getroffen. In der Entwicklung von Maßnahmen können Konflikte entstehen, die vor Ort verhandelt und gelöst werden müssen. Eine Umsetzung wiederum muss langfristig vorangetrieben werden, damit Maßnahmen nicht auf halbem Weg im Sande verlaufen. Häufig entstehen Widersprüche sogar innerhalb des Konzeptes von Nachhaltigkeit. Beispielsweise treten in einem Verständnis von Nachhaltigkeit in einer ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension zuverlässig Spannungen und Zielkonflikte zwischen diesen Aspekten auf.
Diese politischen Prozesse, mit denen eine nachhaltige Entwicklung untrennbar verbunden ist, finden auf verschiedenen Ebenen und mit einer Vielzahl von Teilnehmenden statt. Obwohl für METAPOLIS die Städte und Gemeinden in Niedersachsen eine besonders zentrale Rolle spielen, findet sich vor Ort jeweils nochmal eine neue Vielzahl von Akteuren. Diese wollen nicht nur die eigenen Interessen wahren, sondern häufig auch neue Impulse einbringen. Neben Politik und Verwaltung spielen gesellschaftliche Initiativen und Vereine eine Rolle, bringen sich Unternehmen und Verbände ein, tragen die Bürgerinnen und Bürger zum Erfolg eines Vorhabens bei.
So wie die Teilnehmenden auf dem Weg zu nachhaltigen Stadt-Land-Beziehungen vielfältig sind, so gibt es auch hinsichtlich ihrer Koordinationsformen mehr Optionen, als auf den ersten Blick zu vermuten. Eine Steuerung durch verbindliche Vorgaben und Sanktionen steht dabei Interaktionsformen mit Wettbewerbscharakter gegenüber. Gleichzeitig dürfen Solidarität und geteilte Werte in einer Gemeinschaft nicht unterschätzt werden. Es macht einen Unterschied, ob Nachhaltigkeit verordnet wird, ob man um ihre Realisierung konkurriert oder sie als gemeinsame Überzeugung verfolgt.
Nachhaltige Entwicklung in Niedersachsen ist also vor allem durch eine große Vielfalt gekennzeichnet: eine Vielfalt der Orte, der Akteure und der Interaktionen. In der Politikwissenschaft beschreiben wir eine solche Form des Regierens, die über Staaten, Regierungen und Verwaltungen hinausgeht, als Governance. Als METAPOLIS-Teilprojekt ist es unser Ziel, die nachhaltige Governance von Stadt-Land-Beziehungen in Niedersachsen zu verstehen. Dabei arbeiten wir eng mit unseren Partnern im Projekt zusammen und profitieren täglich von den Perspektiven anderer Disziplinen und den Erfahrungen aus der Praxis vor Ort. Unsere Arbeit ist dabei in drei Forschungssträngen organisiert, die im Folgenden vorgestellt werden.
Sie wurden von uns im Rahmen einer aktuellen Studie kontaktiert und haben Fragen zu unserem Forschungsvorhaben? Gerne erläutern wir Ihnen die Details. Bitte zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren: >m.moeck[at]tu-braunschweig.de<.
1 | Polyzentrale Räume
Die Beziehungen zwischen städtisch und ländlich geprägten Räumen stehen im Mittelpunkt der Arbeit von METAPOLIS. Dabei liegt eine wichtige Herausforderung bereits in ihrer Beschreibung jenseits einer reinen Stadt-Land-Dichotomie. Auf der Basis von Bevölkerungs- und Arbeitsmarktdaten identifiziert das Teilprojekt Governance Städte und Gemeinden, die in Niedersachsen die Rolle von Zentren einnehmen. Ihr Verhältnis zueinander ermöglicht es, Regionen zu beschreiben. Dort, wo sich ein einzelnes Zentrum gegen das Umland abhebt, kann von einer monozentralen Region gesprochen werden. Polyzentralität hingegen findet sich in Gebieten, die mehrere Zentren aufweisen, während eine gleichrangige Bedeutung aller Orte als dispers bezeichnet werden kann. Sowohl die Messung als auch die Konsequenzen von Polyzentralität sind umstritten: Ist ein polyzentrales Niedersachsen nachhaltiger?
Ausgewählter Veranstaltungsbeitrag
Januar 2018 | Workshop | Malte Möck: Zwischen Merkmal und Relation: Indikatoren in der Polyzentralitätsdebatte, Kultur, Stadt und Netzwerke. Positionen, Verhältnisse und Herausforderungen für die Netzwerkforschung, Darmstadt.
2 | Polyzentrale Governance
Die nachhaltige Bewirtschaftung von gemeinschaftlich genutzten Ressourcen ist oft mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Neben dem rodungsgefährdeten Wald und dem von Überfischung bedrohten Gewässer sind auch Güter wie Mobilität und Sicherheit nur zu gewährleisten, wenn Vorkehrungen gegen Staus und Gewalt getroffen werden. Die dafür vorgesehenen institutionellen Arrangements schlagen häufig eine von zwei entgegengesetzten Lösungen vor: Zentralisierung von Befugnissen und Kompetenzen auf einer höheren oder ihre Streuung und Fragmentierung auf einer niedrigeren Regelungsebene. Im Anschluss an Diskussionen um Polycentric Governance sucht das Teilprojekt nach gegenstandsspezifischen Lösungen, in denen mehrere Entscheidungsinstanzen über verschiedene Ebenen hinweg gemeinsame Regeln aushandeln. Beispielsweise beschäftigen sich aktuelle niedersächsische Fallstudien mit institutionellen Ursachen der Nitratbelastung von Grundwasser.
Ausgewählter Veranstaltungsbeitrag
August 2018 | Konferenz | Malte Möck, Colette Vogeler, Nils C. Bandelow, Boris Schröder-Esselbach: Polycentric Governance and Spatial Misfits in the Water-Food Nexus – The Case of Groundwater Nitrate Concentrations in Agricultural Hubs in Germany, ECPR General Conference, Hamburg.
3 | Polyzentrale Netzwerke
Interaktionen sind Relationen. Sie lassen sich deshalb am besten mit Verfahren der Netzwerkanalyse verstehen, deren methodisches Repertoire fortlaufend weiterentwickelt und zunehmend für politikwissenschaftliche Fragestellungen eingesetzt wird. Beispielsweise erlaubt die Zentralität als Maß für die Bedeutung von Akteuren/Knoten in Netzwerken einen innovativen Zugriff auf politische Konstellationen in ausgewählten Politikfeldern. In Arbeiten des Teilprojektes finden zudem verschiedene Interaktionen/Kanten Berücksichtigung. Grundsätzlich eröffnet das Zusammenwirken von politischen Akteuren bei der Entwicklung von Strategien der nachhaltigen Entwicklung neue Aufschlüsse über den politischen Prozess, sobald es als Netzwerk verstanden wird. Unter anderem lässt sich auf diesem Weg die eingangs angesprochene Hypothese einer auf geteilten inhaltlichen Überzeugungen beruhenden Nachhaltigkeitspolitik prüfen.
Ausgewählter Veranstaltungsbeitrag
Juni 2018 | Symposium | Malte Möck: Understanding Local Policy Networks. A Case Study in the METAPOLIS, Future City Research Insights #01, Braunschweig.